Mittwoch, 19. Oktober 2022

Studie: Bremer Schüler fallen zurück - Niedersachsen nur Mittelmaß

In einer Studie wird bundesweit das Können der Viertklässler untersucht - in Lesen, Zuhören, Rechtschreibung und Mathe. Niedersachsen und Bremen schneiden dabei nur mittelmäßig bis schwach ab. Kritik an der Bildungspolitik lässt nicht lang auf sich warten.

Berlin/Hannover/Bremen (dpa/lni) - Viertklässler in Bremen haben einer Studie zufolge größere Rechtschreib-, Lese- und Matheprobleme als Kinder in vielen anderen Bundesländern. Die gleichaltrigen Schüler aus Niedersachsen landen in der Auswertung auch nur im Mittelfeld. Das zeigen Ergebnisse einer am Montag von der Kultusministerkonferenz vorgestellten Untersuchung, die im Abstand von fünf Jahren die Kompetenzen in dieser Altersklasse repräsentativ untersucht.

Demnach entsprechen die Kompetenzrückstände der Bremer Viertklässler im Vergleich mit Kindern aus Bayern oder Sachsen im Lesen und Zuhören etwa einem Schuljahr, in Rechtschreibung etwa zwei Drittel und in Mathematik mehr als drei Viertel eines Schuljahres. Grundlage waren Tests an fast 1500 Schulen in ganz Deutschland mit etwa 27 000 Viertklässlern zwischen April und August 2021. In Niedersachsen nahmen 1525 Schülerinnen und Schüler an 89 Schulen an dem Test teil, in Bremen waren es 1567 Viertklässler an 90 Schulen.

Insgesamt sank im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2016 auch bundesweit der Anteil der Kinder, die den «Regelstandard» schafften, also das, was im Schnitt von Schülerinnen und Schülern in diesem Alter erwartet wird. Im Lesen erreichten 2021 laut Studie 44,4 Prozent der Bremer Viertklässler den «Regelstandard», 31,0 Prozent gelang das nicht. In Niedersachsen schafften es 54,0 Prozent (21,3 Prozent schafften es nicht), in Bayern 67,7 Prozent (14,1 Prozent).

In Rechtschreibung erreichten 42,0 Prozent der Bremer Viertklässler den «Mindeststandard» nicht - heißt: Deutlich mehr als jeder dritte Grundschüler in der vierten Klasse macht so viele Rechtschreibfehler, dass er die definierten Mindestanforderungen verfehlt. In Niedersachsen waren es 36,7 Prozent, in Bayern 20,5 Prozent. 58,0 Prozent der Kinder aus Bayern erreichten den «Regelstandard», in Bremen 31,4 Prozent und in Niedersachsen 39,0 Prozent.

Im Fach Mathematik schafften in Bremen 42,8 Prozent der Viertklässler den «Regelstandard», in Sachsen 66,8 Prozent und in Niedersachsen 52,0 Prozent. Den «Mindeststandard» erreichten in Bremen 35,6 der getesteten Kinder nicht, in Sachsen 13,4 Prozent, in Niedersachsen 21,7 Prozent.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) räumte ein, dass der Handlungsbedarf hoch sei. Es gelte, die Ursachen für die negative Tendenz zu analysieren und die notwendigen Schlussfolgerungen konsequent zu ziehen. «Das geht nicht im Schnellschuss-Verfahren, sondern muss seriös vorbereitet werden», sagte Tonne. Der bildungspolitische Fokus müsse zukünftig noch stärker auf die Grundschulen gerichtet werden. «Die Erhöhung der Gesamtstundenzahl in der Grundschule wäre eine wirksame Maßnahme», sagte Tonne.

«Die Ergebnisse unterstreichen die Herausforderung, vor der wir stehen», kommentierte Bremens Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) die Ergebnisse. Sie wies auf die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Lage der Kinder hin und machte sich für mehr Kitaplätze sowie zusätzliches Personal in Kitas und Schulen stark.

Torsten Neumann, Vorsitzender des Verbandes Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) sprach von einem «niederschmetternden Ergebnis». Der seit langem eklatante Lehrkräftemangel auch an Grundschulen habe einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung.

Der Rückgang schon bei der Grundschulbildung müsse alle alarmieren, sagte die Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann. Immer mehr Betriebe beklagen ihr zufolge die mangelnde Ausbildungsfähigkeit. «Weniger Gendern, mehr Mathe und Lebenskunde», forderte die CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Unterems.

In Bremen äußerten die Oppositionsparteien CDU und FDP Kritik. «Uns droht ein Drittel einer ganzen Schüler-Generation wegzubrechen», sagte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Yvonne Averwerser. Für sie sind die Ergebnisse die «bitteren Folgen jahrzehntelanger Schönfärberei durch die SPD-Bildungspolitik». Es gebe mit 24000 Euro pro Kopf und Jahr eines der teuersten Bildungssysteme in Bremen und inzwischen die beste technische Ausstattung, sagte stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion in Bremen, Hauke Hilz. «Die Leistungen aber bleiben unterirdisch», kritisierte er.