Montag, 16. Juni 2025

Warum so viele Kinder in Ludwigshafen die erste Klasse wiederholen

In der Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen passiert etwas Ungewöhnliches: Fast jedes vierte Kind soll die erste Klasse wiederholen. Insgesamt betrifft das 37 von 147 Erstklässlern. Warum? Und was bedeutet das für die Kinder – und unser Bildungssystem?

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Die Schule liegt in einem Stadtteil, in dem viele Familien aus anderen Ländern leben. Fast alle Kinder dort haben einen Migrationshintergrund. Viele sprechen kaum oder gar kein Deutsch, wenn sie eingeschult werden. Manche waren vorher auch nicht im Kindergarten. Das ist ein Problem, denn dort lernen Kinder normalerweise schon, wie man sich im Unterricht verhält: still sitzen, zuhören, sich melden, mit anderen sprechen, erste Wörter schreiben oder zählen.

Wenn diese Grundlagen fehlen, wird der Schulstart besonders schwer. Die Lehrkräfte erzählen, dass viele Kinder weder die deutsche Sprache noch den Umgang mit Heften, Stiften oder Regeln kennen. Manche wissen nicht, wie man auf einem Stuhl sitzt oder wie man sich in einer Gruppe verhält. Das macht den Unterricht anstrengend – für alle.

Am Anfang des Schuljahres bekam die Schule Unterstützung von Lehramtsstudierenden der Universität Landau. Die halfen sechs Wochen lang mit: Sie spielten mit den Kindern, erklärten Dinge langsamer, übten Sprache, machten kleine Gruppenarbeiten. Das hat geholfen. Denn ursprünglich sollten sogar 44 Kinder die Klasse wiederholen. Doch auch 37 sind sehr viele.

Viele Zeitungen berichten von einem Skandal. Aber die Schule versucht ihr Bestes. Die Lehrerinnen und Lehrer betonen: Es geht hier nicht ums „Sitzenbleiben“, wie man es in höheren Klassen kennt. Sondern darum, ob ein Kind schon bereit ist, weiterzulernen – oder ob es noch ein bisschen mehr Zeit braucht. In der Grundschule entscheiden das die Lehrer gemeinsam mit den Eltern. Es ist also keine Strafe, sondern soll helfen.

Doch die Schule fühlt sich alleingelassen. Sie braucht mehr Unterstützung: kleinere Klassen, mehr Personal, Sprachförderung schon vor der Einschulung. Und: Mehr Kita-Plätze, damit Kinder früh Deutsch lernen können. Denn das Problem beginnt nicht erst in der Schule – sondern viel früher.

Was können wir also daraus lernen? Die Geschichte aus Ludwigshafen zeigt, wie wichtig gute Vorbereitung auf die Schule ist – und dass man Bildung nicht einfach allen gleich anbieten kann. Manche Kinder brauchen mehr Hilfe. Wenn wir diese Hilfe nicht geben, verlieren wir sie am Anfang – und holen sie später nie mehr ein.