Mittwoch, 13. September 2023

Teilhabe durch Sprache: So wichtig sind Deutschkenntnisse für den Bildungserfolg

Gesprochene Sprache ist des Menschen wichtigstes Kommunikationsmittel. Die Kompetenz, Sprachen zu erwerben und sich auf diese Weise in einer Gemeinschaft mitzuteilen, ist angeboren. Um an dem umfangreichen Bildungsangebot eines Landes teilhaben zu können, sind verlässliche Sprachkenntnisse unerlässlich. Der Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache kommt im deutschen Bildungssystem deshalb eine integrative Schlüsselrolle zu.

Die verlässliche Integration zugezogener Schülerinnen und Schüler in das deutsche Bildungssystem ist zu einem wesentlichen Bestandteil des Bildungsauftrags deutscher Bildungseinrichtungen geworden. Mehrsprachigkeit gehört für viele in Deutschland lebende Menschen zum Alltag. Schätzungen des Mikrozensus, in dem das Statistische Bundesamt seit 2017 einmal jährlich ermittelt, welche Sprachen in den in Deutschland lebenden Familien überwiegend gesprochen werden, geben Aufschluss über die sprachliche Vielfalt, die im deutschen Familienalltag gelebt wird. Zahlreiche Studien mit dem Fokus auf Mehrsprachigkeit bei Kindern und Jugendlichen bestätigen die Ergebnisse des Mikrozensus.

Die wichtigsten Erhebungen der letzten Jahre hat der Mediendienst Integration in einer Zusammenfassung aufgearbeitet:

  • Unter Kindern und Jugendlichen bis 14 Jahren sprachen 2022 rund 21 Prozent in der Familie vorrangig eine andere Sprache als Deutsch. Das zeigt die Kinder- und Jugendhilfestatistik. In den westlichen Bundesländern ist der Anteil deutlich höher als in den ostdeutschen und in Städten ist er höher als in ländlichen Gemeinden.
  • Die internationale Grundschulvergleichsstudie IGLU 2017 erzielte ähnliche Ergebnisse. Der Anteil der befragten Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen, die zu Hause immer oder fast immer Deutsch sprechen, lag bei 83,4 Prozent.
  •  Eine Auswertung des SOEP vom Institut der Deutschen Wirtschaft zeigt für 2019: Rund 77 Prozent der Kinder unter 16 Jahren sprechen in der Familie vor allem Deutsch, 14 Prozent eine andere Sprache, 9 Prozent mehrere Sprachen. Bei den Kindern mit Migrationshintergrund sind es 38 Prozent, die vorrangig Deutsch zu Hause sprechen, rund 39 Prozent sprechen vorrangig eine andere Sprache, 23 Prozent mehrere Sprachen.

Aktuell bringen etwa 30 Prozent der Kinder, die an deutschen Grundschulen unterrichtet werden, einen Migrationshintergrund mit. Für sie ist Deutsch zumindest die Zweitsprache, die sie erst im Anschluss an ihre Muttersprache erlernen. Für eine uneingeschränkte Teilhabe an dem an deutschen Schulen zur Verfügung stehenden Bildungsangebot ist die Förderung dieser sprachlichen Kompetenz die Basis, die Chancengleichheit schafft und das Ziel der vollumfänglichen Integration erst erreichbar macht.


Deutsch als Zweitsprache oder Deutsch als Fremdsprache

Eine aus der Bildungsperspektive heraus wichtige Unterscheidung ist die zwischen Deutsch als Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache. Außerhalb des Bildungskontextes werden beide Bezeichnungen häufig synonym verwendet.

Eine Differenzierung, die unter anderem das Goethe Institut im Zusammenhang mit der Vermittlung von Deutsch als frühe Zweitsprache vermittelt, lautet wie folgt: 

„Deutsch als Zweitsprache (DaZ) bezieht sich auf Erwerb, Gebrauch und Vermittlung innerhalb des deutschsprachigen Raums, wo das Deutsche vorrangiges Medium sozialer, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Lebensbereiche ist, Deutsch als Fremdsprache (DaF) dagegen auf die entsprechende Situation im Ausland, das heißt in nicht deutschsprachiger Umgebung. Fremdsprachenerwerb findet vorwiegend gesteuert und in homogenen Lerngruppen statt, die darüber hinaus über eine gemeinsame Erstsprache verfügen und diese im Unterricht auch verwenden.“

Für Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland die Primar- oder Sekundarstufe besuchen und deren Erst- oder Muttersprache nicht Deutsch ist, ist im Bildungskontext der Begriff Deutsch als Zweitsprache relevant und wird in Bildungseinrichtungen in der Regel auch verwendet.

 

Deutsch als Zweitsprache: Bildungsexperten unterscheiden drei Ansätze

Dass die deutsche Sprache für einen großen Teil der Schülerinnen und Schüler an deutschen Schulen nicht die Erst- oder Muttersprache ist, gehört längst zum Bildungsalltag. Die zuverlässige Integration zugewanderter Schülerinnen und Schüler in die hiesige Bildungslandschaft und alle in Deutschland zur Verfügung stehenden Bildungswege ist ein wichtiges und zukunftsweisendes Anliegen.

Um Sprachbarrieren abzubauen und auf der sprachlichen Ebene eine vollumfängliche Teilhabe an der Bildung zu gewährleisten, können verschiedene Ansätze verfolgt werden. Bildungsexperten definieren grundlegend drei in Deutschland praktizierte Vorgehensweisen, um Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in der Primar- und Sekundarstufe beim Erwerb von Deutsch als Zweitsprache zu unterstützen und sie so gleichberechtigt in das Bildungssystem zu integrieren. 

 

Abbildung 2: @ insta_photos (#455007208) / Adobe Stock


1.  Submersion

Dieser Ansatz geht davon aus, dass Schülerinnen und Schüler Deutsch als Zweitsprache besonders gut erlernen können, wenn sie im Schulalltag vollumfänglich in den Sprachkontext eingebettet werden. Der Spracherwerb soll durch das Eintauchen in die zu erwerbende Sprache erfolgen und nutzt die intrinsische Kompetenz zum Erlernen von Sprache als Ausgangspunkt. Der Unterricht mit relevanten Inhalten in der zu erlernenden Sprache ist ein Teilbereich des Sprachkontextes, in den die Schülerinnen und Schüler bei der Submersion eingebettet werden.

Bildungsexperten, die diesen Ansatz verfolgen, plädieren für eine klassische Integration in der Regelschule ohne zusätzliches Förderangebot. Als wesentliche Impulse für den Spracherwerb sollen Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit des Sprachgebrauchs erfahrbar gemacht werden. Dies geschieht über den intrinsischen Wunsch, am Bildungsangebot teilzunehmen, über soziale Interaktion und den Wunsch nach Integration, über die Nachahmung erlebter Sprachmuster und schließlich über die Ableitung und Verinnerlichung sprachlicher Regeln, die sich aus den erlebten und nachgeahmten Sprachmustern ergeben.

 

2.  Gestützte Submersion

Die gestützte Submersion basiert ebenfalls auf der grundlegenden kognitiven Fähigkeit zum intuitiven Spracherwerb und dem intrinsischen Lernwillen. Bei diesem Ansatz werden Schülerinnen und Schüler, die Deutsch als Zweitsprache erwerben sollen, ebenfalls in die Regelschule integriert und folgen dort den für sie relevanten Unterrichtshinhalten in der zu erlernenden Zweitsprache.

Bei der gestützten Submersion wird das lernen im sozialen und bildungsnahen Kontext des Regelunterrichtes zusätzlich von Förderprogrammen begleitet, die den Erwerb der Zweitsprache erleichtern und vertiefen sollen. Als Förderung kommen in den Unterricht integrierte Sondereinheiten ebenso in Frage wie schulexterne Kurse. Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe werden häufig durch schuleigene Unterrichtseinheiten zum Spracherwerb gefördert. In der Sekundarstufe empfehlen viele Bildungseinrichtungen zusätzlich externe Angebote. Immer beliebter werden die digitalen Möglichkeiten wie ein virtueller Deutschkurs bei Anbietern wie iQ Lingua. Externe Fördermöglichkeiten gewinnen in der Sekundarstufe am Bedeutung, da die weiterführenden Unterrichtsinhalte eine umfangreiche Förderung im Bereich Zweitspracherwerb als Bestandteil des Regelunterrichtes häufig nicht mehr zulassen.

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat seit 2018 ein Pilotprojekt im Angebot, das zugezogenen Schülerinnen und Schülern den Erwerb von Deutsch als Zweitsprache neben dem Regelunterricht erleichtern soll. Das Programm „FerienIntensivTraining - FIT in Deutsch" basiert auf einer intensiven und breit aufgestellten Deutschförderung für Schülerinnen und Schüler mit Migrationsförderung. Der Förderunterricht wird in den Schulferien angeboten und muss damit nicht in den Regelunterricht während der Schulzeit integriert werden. Durchführende Stellen der Förderangebote sind die Gemeinden, Gemeindeverbände und Zweckverbände als Träger öffentlicher Schulen, Träger genehmigter Ersatzschulen, freie Träger oder Universitäten und Hochschulen. Als Standorte für die unterschiedlichen Förderkurse können in den Ferien die Räumlichkeiten der Schule selbst oder andere den Trägern zur Verfügung stehende Räumlichkeiten im Schulumfeld genutzt werden.

 

3.  Zweitspracherwerb in Förder- und Einführungsklassen

Ein dritter Ansatz der Erwerbs von Deutsch als Zweitsprache im Bildungskontext basiert auf dem Besuch spezieller Förder- und Einführungsklassen. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, deren Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen, um aus dem Regelunterricht bildungs- und sprachrelevanten Mehrwert zu ziehen, können nach diesem Ansatz zunächst eine Sprachförderklasse besuchen. Dort sollen in intensiven Unterrichtseinheiten zunächst die Sprachkenntnisse vermittelt werden, die notwendig sind, um den Regelunterricht nutzen zu können.

Dieser Ansatz wird oft in Form einer sprachbasierten Vorschulklasse zwischen einer Kindertageseinrichtung und dem Eintritt in die Primarstufe verfolgt. Auch an späteren Stationen des Bildungsweges können Förder- und Einführungsklassen angeboten werden, um die Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Zweitsprache zu erleichtern und den Nutzen des Regelunterrichtes ohne Sprachbarriere zu gewährleisten.