Hilferuf an Schule - Ex-Rektor empfiehlt klare Regeln
Zu wenig Lehrer und zahlreiche Schüler, die kaum oder schlecht Deutsch sprechen und gegen Schulregeln verstoßen: Diese Probleme schildern Lehrer einer Berliner Schule. Nun gibt es Ratschläge.
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Dienstag, 11. Juni 2024
Den sterbenden Opa ein letztes Mal sehen, die kranke Mama umarmen. Auf Intensivstationen waren Kinder lange ein No-Go. Das soll sich ändern. Denn schaden kann es auch, wenn sie nicht zu Besuch kommen.
Berlin/Würzburg (dpa) - Feuerwehrleute, Taucher und Astronauten sind Motive in vielen Kinderbüchern. Technische Geräte wie Atemmasken gelten hier als spannend. Doch wenn es darum geht, Kinder mit zu Besuch auf Intensivstationen in Krankenhäusern zu nehmen, haben viele Menschen Scheu. Zu viele Kabel, zu viele Geräte: so ein Vorurteil. Das mache Angst. Dazu der merkwürdige Geruch und kranke oder gar sterbende Menschen sehen: Das alles sei nicht gut für Kinder. Psychologisch fundiert ist diese Einstellung nicht.
Wenn ein Elternteil schwer krank ist, ein Großelternteil stirbt oder ein Geschwisterkind auf der Intensivstation liegt, kommen Kinder gar nicht darum herum, sich mit Krankheit und Tod zu beschäftigen.
Die zuständige Fachgesellschaft Divi (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) mit Sitz in Berlin hat vor rund eineinhalb Jahren ein Papier mit Empfehlungen für Kinderbesuche auf Intensivstationen herausgegeben. «Kinder können Besuche sehr wohl verarbeiten, wenn sie altersgerecht informiert werden», heißt es dort. Auch gehe kein besonderes Infektionsrisiko von Kindern aus.
Demnach gibt es zwar Ausnahmen, in denen Kinder den Besuch als traumatisierend erlebten. «Doch dürfen diese Ausnahmen als Begründung verwendet werden, um Kindern generell den Besuch zu verwehren?», schreiben die Fachleute. Auch ein Nicht-Besuch könne schaden. Fehlender Kontakt zu einem kranken Familienmitglied verstärke möglicherweise Ängste und Sorgen bei Kindern. «Aus psychotraumatologischer Perspektive kann ein Besuch auf der Intensivstation eine wertvolle korrigierende Erfahrung bei Hilflosigkeit, Kontrollverlust und Entsetzen sein.»
Der Intensivpfleger Dieter Filser aus Franken drückt es so aus: «Wir wünschen uns, dass Kinder Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte entwickeln. Wenn wir sie von Krankenhausbesuchen abhalten, machen wir das Gegenteil.» Er glaubt, für Kinder folge dann logisch: Wenn ich da nicht hin darf, muss es dort schlimm sein. Dabei würden Kinder in der Regel keine Qualen zu sehen bekommen. «Wenn sich jemand quält, haben Medizin und Pflege versagt», meint der Pfleger.
Bei einigen Kliniken und Stationen sind die neuen Empfehlungen schon angekommen. Am Uniklinikum Würzburg ist der Besuch von Kindern seit 2020 möglich und komme etwa drei- bis fünfmal pro Jahr vor, sagt Patrick Meybohm, Direktor der dortigen Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin. Der Kinderbesuch könne bei der Genesung helfen, wenn der Patient oder die Patientin ihn wünscht, sagt Meybohm. Das gelte vor allem nach der akuten Krankheitsphase. «Der Besuch der Kinder kann eine starke Motivation sein, weiterzumachen und die Geduld für Training und Kraftaufbau zu finden.» Der Besuch werde immer im Team geplant.
Das entspricht den Divi-Empfehlungen. Demnach sollte ein Besuch gut vorbereitet und begleitet werden. Auch danach sollten Kinder und Personal sich über das Erlebte austauschen können. Für Personen, die auf Intensivstationen arbeiten, hat die Divi zu diesem Zweck Workshops und Kurzfortbildungen entwickelt.
Auf Kinderintensivstationen wie Frühchen-Stationen ist der Besuch von Geschwisterkindern schon lange üblich. Hier hat laut Divi in den 1980er-Jahren ein Umdenken begonnen. «Geschwisterkinder gehen meist sehr unbefangen mit der Situation um, selbst, wenn der Grund der Hospitalisierung sehr ernst ist», erzählt Christoph Bührer, Präsident der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Der Besuch habe auch Vorteile: Man könne Kindern die Zusammenhänge vor Ort viel besser erklären. Außerdem würden manche Kinder eifersüchtig, wenn ein Geschwister länger im Krankenhaus ist. Ein Besuch sei ein Weg, sie einzubeziehen.
Angst vor zu viel Kabeln sei meist nicht das Thema, sagt Bührer. «Die Kinder wissen, da sind lauter Apparate; das ist wie auf einem Raumschiff.» Wichtiger sei, sie darauf vorzubereiten, dass das Geschwisterchen sehr klein und eventuell sediert ist. «Aber das ist unsere Aufgabe, das zu erklären.»
Dass Apparate nicht unbedingt Angst machen, sondern von Kindern als normal angesehen werden können, berichtet auch die Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter und chronisch kranker Eltern, Kerstin Weiß. «Für manche Kinder ist es Alltag, ihre Eltern mit Prothesen oder Beatmungsgerät zu sehen.»
Auch von sterbenden Menschen müssen Kinder nicht ferngehalten werden. Mit Kindern sollte das offene Gespräch über Sterben, Tod und Trauer gesucht werden, heißt es von der Divi. Sogar wenn lebensunterstützende Maschinen abgeschaltet werden, sollte überlegt werden, ob das Kind oder die Kinder dabei anwesend sind.
Gegen die Tabuisierung von Tod und Sterben gegenüber Kindern wenden sich auch Projekte wie «Hospiz macht Schule», «Letzte Hilfe Kids & Teens» und «Sarggeschichten». «Kinder brauchen ehrliche Antworten und Informationen zu den Geschehnissen, die um sie herum passieren», meinen die Macherinnen der Sarggeschichten. Kinder spürten Heimlichkeiten, die sie dann eben nicht schützten, sondern eher Angst auslösten. Kinder bräuchten Abschiede. Werden Kinder davon ausgeschlossen, werde ihnen eine wichtige Ressource zur Verarbeitung von Verlusten genommen.
Kinderbesuche auf Intensivstationen sind daher kein No-Go mehr. Aber kein Kind sollte mitkommen, wenn die kranke Person oder das Kind es nicht wollten, so die Divi-Empfehlung. Alternativ können die Kinder zum Beispiel ein Bild malen oder einen Brief schreiben. Manche Stationen würden auch einen Videobesuch anbieten.
Um Kinder auf den Besuch vorzubereiten, gibt es Bücher wie «Emma besucht die Intensivstation» oder «Zu Besuch auf der Intensivstation». Das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) hat angelehnt an ein britisches Vorbild ein Malbuch für Kinder konzipiert. Das online verfügbare Buch erklärt, was eine Intensivstation ist und enthält Bewältigungshilfen wie einen sogenannten Sorgenbaum. Einen Flyer, der Kinderfragen beantwortet und Tipps für einen Besuch enthält, gibt es auch bei der Divi.
Von Vanessa Köneke, dpa