Donnerstag, 04. August 2022

Führerschein ab 16 Jahren: bald Realität oder Utopie?

Den Führerschein mit 17 Jahren gibt es schon länger - zumindest in Form von begleitetem Fahren. Die Diskussion darüber, ob diese Grenze auf 16 Jahre herabgesenkt werden soll, brodelt ebenfalls schon seit Jahren. Momentan ist sie wieder aktuell. Grund genug für uns, einen Blick darauf zu werfen und zu klären, wie die Chancen um diese Absenkung stehen und welche Auswirkungen sie hätte.

Führerschein mit 16 Jahren: Was ist davon zu halten?

Unsere aktuelle Ampelkoalition möchte das Mindestalter von den aktuell bestehenden 17 Jahren auf 16 Jahre herabsetzen. Auch in diesem Fall geht es selbstverständlich nur um begleitetes Fahren. Das heißt: Mindestens eine erwachsene Begleitperson mit Führerschein muss im Wagen anwesend sein, außerdem muss diese Person mindestens 30 Jahre alt sein. Diese Altersbegrenzung soll verhindern, dass 17-Jährige zum Beispiel einen 18-jährigen Kumpel ins Auto holen und so die Altersbegrenzung praktisch umgehen. Das Ziel ist es, verantwortungsbewusstes Fahren zu lernen - und nicht das Aufstellen neuer Geschwindigkeitsrekorde.

Alle Regeln und Pflichten, die im Straßenverkehr generell gelten, treffen dann auch auf die 16- und 17-Jährigen zu. Damit gehen bestimmte Vorteile einher - wie die Reservierung eines Wunschkennzeichens für das eigene Auto. Für viele Fahrerinnen und Fahrer ist dies zwar nebensächlich, einige räumen diesem Detail aber Bedeutung ein. Wer mag, darf sich dieses Kennzeichen, sofern verfügbar, also auch mit dem neuen Führerschein für Jugendliche sichern. 

Führerscheine unter 18 Jahren - sicher oder nicht?

Bild 2: Adobe Stock / Mr. Music / 279992144

In jüngeren Jahren sind Menschen im Durchschnitt leichtsinniger. Dies verleitet in dieser Diskussion schnell zu der Annahme, dass ein Herabsenken des Führerscheinalters keine gute Idee ist - schließlich brauchen wir nicht mehr leichtsinnige Fahrerinnen und Fahrer auf unseren Straßen. Allerdings liegt der Teufel im Detail, und das zeichnet ein insgesamt positives Bild von der Sicherheit beim Fahren für Jugendliche.

Da es sich sowohl beim Führerschein ab 17 als auch 16 nur um begleitetes Fahren handelt, darf zunächst keine Verwechslung mit einem "echten" Führerschein vorliegen. Effektiv verdoppelt der Führerschein ab 17 Jahren den Lernzeitraum: Schülerinnen und Schüler können beispielsweise ein Jahr früher den Schein machen. In diesem dazugekommenen Jahr fahren diese Jugendlichen aber noch immer mit Begleitung - was kein allzu großer Unterschied zu einem echten Fahrlehrer an der Seite ist.

Bevor diese Jugendlichen also in die absolute Freiheit ohne Begleitung entlassen werden, fahren sie bereits ein ganzes Jahr und sammeln dadurch Erfahrung. Dies wirkt sich nachweislich auf die Fahrsicherheit aus. Das Unfallrisiko ist bei diesen Personen wesentlich geringer als bei Menschen, die den Führerschein auf die klassische Weise erst mit vollen 18 Jahren abschließen. Der enorme Praxisvorteil, den die jungen Menschen haben, wirkt sich daher positiv aus.


Fahrsicherheit bei jüngeren Personen in Zahlen

Im Durchschnitt legen Jugendliche, die auf klassische Weise ihren Führerschein erwerben wollen, etwa 500 Kilometer Strecke zurück, bevor Sie den Schein in der Tasche haben. Das klingt auf dem Papier nach recht viel, aber umgerechnet ist dies nur eine einzige Autofahrt in ein etwas weiter entferntes Urlaubsziel.

Im Vergleich fahren Personen, die bereits ab 17 Jahren ihren Führerschein haben, ungefähr 1.400 Kilometer auf dem Asphalt, bevor sie das 18. Lebensjahr erreichen und somit ohne Begleitung fahren dürfen. Sie fahren somit etwa die dreifache Distanz wie ihre älteren Kolleginnen und Kollegen. Dass sich dies positiv auf die Fahrsicherheit auswirkt - im Durchschnitt - dürfte verständlich sein.


Ähnliche Sicherheitseffekte beim Fahren ab 16 Jahren?

Unter anderem der Verkehrspräsident des ADAC, Gerhard Hillebrand, äußert sich daher positiv über diese Planungen der Regierung. Der Verkehrsverband würde die Herabstufung der Altersgrenze grundsätzlich begrüßen und beruft sich dabei ebenfalls auf die Statistik, die dem Führerschein mit 17 Jahren bereits ein gutes Resultat ausstellt. Die Chance, dass eine weitere Reduktion ebenfalls positive Auswirkungen hat, ist daher groß, muss aber noch statistisch bewiesen werden, sofern es zu einer Einführung kommt.

Altersabsenkung auf 16 Jahre: zu riskant oder genau richtig?

Jüngere Personen verursachen im Durchschnitt mehr Unfälle. Diese Statistik existiert seit Jahrzehnten und hat sich im Laufe der Jahre immer wieder durch neue Erkenntnisse validiert. Laut der Unfallforschung liegt dies vor allem an zwei Ursachen:

• Routine

Situationen, die für 40-Jährige zum Alltag gehören, sind für 18-Jährige noch brandneu.      Verstehen wir etwas noch nicht, machen wir Fehler - was im Straßenverkehr empfindliche Folgen haben kann.

• Leichtsinn

Wir waren alle einmal jung oder sind es noch immer. Wer älter wird, weiß: Damals war ich leichtsinniger. Ein zu entspannter Umgang mit den Sicherheitsregeln auf der Straße kann aber ebenfalls fatale Resultate produzieren.

Beide Problembereiche werden durch das reduzierte Führerscheinalter bekämpft: Junge Menschen erhalten schneller die Routine, die sie brauchen, um im Straßenverkehr adäquat reagieren zu können. Sie parken sehr viel häufiger rückwärts ein, befinden sich im komplizierten Kreisverkehr, müssen sich mit anderen, regelmissachtenden Fahrerinnen und Fahrern arrangieren und so weiter. Jeder, der einen Führerschein besitzt, weiß, dass diese anfängliche Phase nicht leicht ist. Jugendliche, die mehr Zeit bekommen, sind daher klar im Vorteil und entwickeln die notwendige Routine für eine sichere Fahrt.

Der angesprochene Leichtsinn wird hingegen durch die Begleitperson entschärft. Sie muss mindestens 30 Jahre alt sein, bei Verstößen drohen Strafen. Mit zunehmendem Alter gewinnen wir Übersicht, Erfahrung, Sicherheit - und die wird genutzt, um der jungen Fahrerin oder dem jungen Fahrer entsprechend zur Seite zu stehen. In kniffligen Situationen kann geholfen werden, sodass die Person diese Situation nächstes Mal allein lösen kann.

Was geschieht bei einem Unfall?

Die Regulierung bei einem Unfall wird der Führerschein ab 16 Jahren nach Wunsch der Regierung nicht ändern. Das heißt: Fahrer, Halter und Versicherung haften nach wie vor. Die Begleitperson spielt dabei keine Rolle. Fahrzeugführer sind stets die minderjährigen Personen - und da die Prüfung im Voraus bereits bestanden wurde, haften diese auch für den Unfall. Die Begleitperson ist somit vor dem Gesetz nicht gleichzusetzen mit dem Fahrlehrer, der in diesen Situationen der Fahrzeugführer ist und daher haftet.


Welche Voraussetzungen gelten für die Begleitperson?

Bild 3: Adobe Stock / auremar / 274593434


Das Mindestalter der 30 Jahre haben wir bereits mehrfach erwähnt. Dazu kommt, dass diese Person selbst einen Führerschein seit mindestens fünf Jahren besitzen muss (Klasse B oder 3). Außerdem muss diese Person sich selbst als Begleitperson eintragen lassen, dazu ist ein Besuch bei der Führerscheinstelle notwendig. Einfach einsteigen und losfahren ist somit nicht möglich.

Zudem darf die Begleitperson selbst ebenfalls nur sehr geringes Fehlverhalten an den Tag legen. Sie darf nur einen einzigen Punkt in Flensburg haben, um diese Rolle auszufüllen. Bereits ab zwei Punkten erlischt somit die Möglichkeit, eine Begleitperson für die jugendliche Person zu sein. All diese Fakten gelten für den Führerschein ab 17 Jahren und werden, soweit jedenfalls der Entwurf, für den Führerschein ab 16 Jahren nicht geändert.

Fazit: Wie hoch sind die Chancen für den Führerschein ab 16 Jahren?

Das Experiment des Führerscheins ab 17 Jahren läuft jetzt bereits seit vielen Jahren. In dieser Zeit hat sich klar herausgestellt, dass sich die vorzeitige Einführung positiv auswirkt. Diese Jugendlichen fahren im Durchschnitt besser, sind erfahrener, entwickeln schneller Routine. Die Chancen für einen vergleichbaren Führerschein ab 16 Jahren dürften daher ebenfalls gut stehen. In diesem Jahr könnten Fahrerinnen und Fahrer noch zusätzliche Kilometer mehr zurücklegen, was sich positiv auf die Straßensicherheit auswirken dürfte.

Von Seiten der Politik wird es gewünscht und von Seiten der Automobilverbände gefördert - und die Anzahl der Gegenstimmen ist gering. Dass der Führerschein ab 16 Jahren kommt, wäre daher nicht verwunderlich. Ob dies bereits die aktuelle Regierung in die Wege leiten oder ob sich die Politik Zeit lassen wird, steht jedoch auf einem anderen Blatt.