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Dienstag, 25. August 2020
Es gibt gute Zeugnisse - und es gibt Zeugnisse, die nur vergleichsweise gut sind. Baden-Württemberg steht im Vergleich gut da, wenn es um die Betreuung in Kitas geht. Aber perfekt ist das nicht. Eine Studie legt den Finger in die Wunde.
Stuttgart/Gütersloh (dpa/lsw) - Kinder in Krippen und Kindergärten im Südwesten erhalten laut einer Studie zwar die bundesweit intensivste Betreuung in einem Flächenland. Allerdings besucht jedes zweite von ihnen eine Einrichtung mit zu wenig Personal, wie aus einer Auswertung der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. «Obwohl Baden-Württemberg im bundesweiten Vergleich gut dasteht, sollte noch mehr für die frühkindliche Bildung gemacht werden», kritisierte Kathrin Bock-Famulla, die Bildungsexpertin der Stiftung, am Dienstag in Gütersloh. Gruppengrößen und Personalausstattung seien nicht überall kindgerecht, das Qualifikationsniveau der Fachkräfte zudem zu niedrig.
Laut Studie kamen Stand März 2019 auf eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft im Kindergarten rein rechnerisch 6,9 Drei- bis Sechsjährige. 2012 hatte die Relation noch 1 zu 8,6 Kinder betragen, 2016 waren es 7,2 Kinder. Auch der Personalschlüssel bei den Krippenkindern ist laut Studie im Bundesvergleich bei Flächenländern spitze: Eine Fachkraft kümmert sich demnach rechnerisch um 3,1 Kinder - 2012 waren es noch 3,5 Kinder.
Eigentlich ein gutes Zeugnis. Aber trotz der Spitzenposition gibt es laut Studie Verbesserungsbedarf. «Ein Teil der baden-württembergischen Kitas kann seinen Bildungsauftrag aufgrund unzureichender Rahmenbedingungen nicht oder nur eingeschränkt umsetzen», bemängelt die Stiftung. Der Personalschlüssel in Krippen- und Kindergartengruppen sei zwar gemeinsam mit Bremen seit Jahren der günstigste. Allerdings würden rund 138 500 Kita-Kinder nicht kindgerecht betreut. «Für 50 Prozent der Kinder in amtlich erfassten Kita-Gruppen stand nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung», heißt es kritisch in der Studie. Neben Bremen sei dies aber auch der günstigste Anteil unter allen Bundesländern.
Laut Studie hängen die Bildungschancen in Baden-Württemberg nach wie vor vom Wohnort ab. In Mannheim sei eine Fachkraft rein rechnerisch für 8,4 Kindergartenkinder verantwortlich und somit für 2,3 mehr als in den kreisfreien Städten Karlsruhe sowie Freiburg (1 zu 6,1). Im Krippenbereich fallen die Unterschiede geringer aus. So betreut eine Fachkraft im Landkreis Heidenheim im Durchschnitt 2,7 Krippenkinder, in Mannheim sind es dagegen 4,0. «Seit 2016 haben sich die regionalen Unterschiede kaum verändert», heißt es in der Studie.
Der Personalschlüssel ist das eine, die Gruppengröße das andere. «Nach wissenschaftlichen Empfehlungen sollten Gruppen für jüngere Kinder nicht mehr als zwölf Kinder umfassen, für die Älteren nicht mehr als 18», heißt es bei der Bertelsmann Stiftung. Zu große Gruppen seien stressig für Kinder und Fachpersonal. Für Baden-Würtemberg bedeutet das laut Studie, dass von allen amtlich erfassten Kita-Gruppen 43 Prozent zu groß sind (bundesweit: 54 Prozent).
Die meisten der rund 92 300 Erzieherinnen und Erzieher (68 Prozent) können dabei im beruflichen Alltag auf eine Ausbildung vertrauen. das entspricht in etwa dem westdeutschen Durchschnitt (66 Prozent), liegt aber deutlich unter dem der ostdeutschen Bundesländer (82 Prozent).
Nach Einschätzung Bock-Famullas sollten keine Ausbildungsgänge unterhalb des Erzieherinnenniveaus angestrebt werden, um mehr Personal zu bekommen. «Eine Absenkung des Qualifikationsniveaus verschlechtert die Bildungsqualität», sagte sie. Gegen den akuten Personalmangel könnten Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte eingestellt werden. Sie könnten das Kita-Personal entlasten.
Auch bundesweit hat sich die Personalsituation laut Studie in den vergangenen Jahren zwar verbessert. Es standen zum Erhebungsstichtag 2019 für 74 Prozent der Kindergarten- und Krippenkinder aber weniger Fachkräfte zur Verfügung als es den Expertenempfehlungen entspreche, teilte die Stiftung mit. Außerdem sind in mehr als der Hälfte aller Einrichtungen die Gruppen zu groß, beim Qualifikationsniveau sind ostdeutsche Kitas deutlich besser als westdeutsche.