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Dienstag, 25. Juni 2024
Einkommensarmut betrifft vielfach Alleinerziehende und ihre Kinder, das ist bekannt. Eine Studie sieht nun kaum Verbesserung. Die geplante Kindergrundsicherung könnte die Lage noch verschlechtern, heißt es.
Gütersloh/Berlin (dpa) - Alleinerziehende Familien sind einer Studie zufolge nach wie vor am stärksten von Armut betroffen. Unter den rund 1,7 Millionen Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern waren im vergangenen Jahr 41 Prozent einkommensarm, wie die Bertelsmann Stiftung berichtete. Zum Vergleich: Bei den Paar-Familien galten zwischen 8 Prozent (bei einem Kind) und 30 Prozent (bei drei oder mehr minderjährigen Kindern) als armutsgefährdet.
Die geplante Kindergrundsicherung sei unzureichend, um Armut wirksam entgegenzuwirken, kritisierte die Familienexpertin der Stiftung, Anette Stein. «Was jetzt auf dem Tisch liegt, kann das Problem nicht lösen.» Für einige alleinerziehende Familien könne es zu Verbesserungen kommen, für andere aber sogar zu Verschlechterungen. Der Gesetzentwurf steckt schon seit Monaten im parlamentarischen Verfahren fest.
Bei den Ein-Eltern-Familien handelt es sich zu gut 82 Prozent um eine alleinerziehende Mutter mit ihrem Nachwuchs, in knapp 18 Prozent um einen alleinerziehenden Vater. An ihrer seit Jahren bekannten häufig prekären Situation habe sich trotz punktueller Erleichterungen kaum etwas verbessert, kritisierten die Studienautorinnen. Von relativer Einkommensarmut - oder Armutsgefährdung - sind Personen betroffen, die über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügen. Konkret könne das bedeuten: kein Familienurlaub, tagtäglich verzichten und Nein-Sagen müssen, keine Rücklagen für eine gewisse finanzielle Sicherheit und kaum kulturelle oder soziale Teilhabe, was vor allem für Kinder und Jugendliche hart sei, sagt Anette Stein der Deutschen Presse-Agentur.
Unter allen 8,5 Millionen Familien deutschlandweit mit Kindern unter 18 Jahren machten alleinerziehende Familien etwa 20 Prozent aus. Der leichte Anstieg seit 2019 auf aktuell rund 1,7 Millionen Ein-Eltern-Familien mit minderjährigem Nachwuchs sei unter anderem auf Geflüchtete aus der Ukraine zurückzuführen. Es gebe regionale Unterschiede mit einem Alleinerziehenden-Anteil von 16,5 Prozent in Bayern und 27,5 Prozent in Berlin.
Fast die Hälfte aller Kinder, die in einer Familie mit Bürgergeldbezug aufwachsen, leben in einem Haushalt mit nur einem Elternteil. Für alleinerziehende Mütter sei das Armutsrisiko besonders hoch. Der Anteil alleinerziehender Haushalte mit Bürgergeld-Bezug liegt in Bremen mit 55 Prozent am höchsten und in Thüringen mit 27 Prozent am niedrigsten.
Nach Einschätzung der Stiftung ist relative Armut bei vielen Alleinerziehenden nicht auf mangelnde Erwerbstätigkeit zurückführen. «71 Prozent der alleinerziehenden Mütter und 87 Prozent der alleinerziehenden Väter gehen einer Arbeit nach», heißt es in Gütersloh. Zur finanziell schwierigen Situation tragen oft ausfallende Unterhaltszahlungen bei. Auch Reformen des Unterhaltsvorschusses oder der Kinderzuschlag habe die belastende Situation für viele Alleinerziehende nicht entscheidend verbessert.
Es brauche mehr Kitaplätze, eine verlässliche Ganztagsbetreuung in der Schule, flexiblere Arbeitszeitmodelle und weitere Anreize für Väter, mehr Verantwortung für ihre Kinder und Care-Arbeit zu übernehmen, fordert die Stiftung.
Die Ampel-Koalition ringt seit Langem um die Kindergrundsicherung, mit der bisherige Leistungen für Kinder gebündelt werden sollen: also etwa Kindergeld, Zahlungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag. Im Herbst 2023 hatte das Bundeskabinett einen Entwurf beschlossen, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten sich auf zunächst 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten geeinigt. Bei steigender Inanspruchnahme könne der Betrag auf jährlich bis zu 6 Milliarden Euro im Jahr 2028 wachsen. Ob die Kindergrundsicherung aber Anfang 2025 kommt, wie von Paus angestrebt, ist offen. Viele Fragen sind noch ungeklärt, im Bundestag äußern die Koalitionsfraktionen SPD und FDP erhebliche Vorbehalte. Auch Lindner zeigt sich weiter skeptisch.
Der aktuelle Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung werde «bei Weitem nicht reichen, um alleinerziehende Familien aus der Armutsfalle zu befreien», meinen die Studienautorinnen. Als erster Schritt sei das Vorhaben wichtig und werde die Situation von manchen Alleinerziehenden wohl verbessern. Aber: Die Höhe - also die Existenzsicherung - müsse neu bestimmt werden, was der aktuelle Gesetzentwurf nicht einlöse, kritisiert die Studie. Die aktuellen finanziellen Leistungen reichten bei Weitem nicht aus.
Die Regelbedarfe müssten realistisch neu bestimmt und dabei Kinder und Jugendliche einbezogen werden. Regelmäßige Befragungen zeigten einen sehr reflektierten, kompetenten und verantwortungsvollen Umgang mit dieser Thematik bei Heranwachsenden mit Armutserfahrungen, betont Expertin Stein. Um befürchtete Verschlechterung für manche Alleinerziehenden zu vermeiden, seien im Gesetzentwurf unter anderem Änderungen zu Unterhaltsregelungen dringend geboten.
Wichtig aus Sicht der Stiftung auch: Es brauche für alle Anspruchsberechtigten einheitlich eine zuständige Anlaufstelle mit niedrigschwelliger Beratung aus einer Hand. Das sollten Familienservicestellen sein, die zwar nicht sofort ab 2025 funktionsfähig sein könnten, möglichst aber im Gesetz verankert und dann sukzessiv aufgebaut werden sollten.