Donnerstag, 24. Juni 2021
Sprachfehler beim Kind: Diese Behandlungs- und Lösungsmöglichkeiten gibt es
Dass Kinder beim Erlernen der Sprache eine unterschiedliche Geschwindigkeit aufweisen können, ist den meisten Eltern bewusst. Das kann es jedoch schwierig machen, eine Sprachstörung zu erkennen. Doch nur dann kann sie auch gezielt behandelt werden, denn Lösungsmöglichkeiten gibt es heutzutage für fast jede Problematik.
Sprachfehler bei Kindern können in verschiedener Art und Weise auftreten. Manchmal sind sie offensichtlich, weil sich beispielsweise ein starkes Stottern einstellt; in anderen Fällen sind subtil und bleiben daher lange Zeit unentdeckt. Doch Sprachstörungen bei Kindern sind eine Problematik, die in Deutschland immer mehr zunimmt, wie eine Studie der BARMER belegt. Betroffen ist demnach etwa jedes achte Kind. Andere Zahlen sprechen sogar von fast einem Viertel der Kinder im Einschulungsalter. Auffällig ist dabei, dass rund 40 Prozent der betroffenen Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus stammen. Kinder lernen also von ihren Eltern, auch bei der Sprache, und das kann im späteren Schul- oder Berufsleben zu Problemen führen. Das bedeutet jedoch auch, dass bei etwa 60 Prozent der Kinder mit Sprachfehlern andere Ursachen zugrunde liegen – mit denselben Konsequenzen. Für Eltern ist es daher wichtig, die Sprachentwicklung ihres Kindes aufmerksam zu beobachten, um eventuelle Störungen frühzeitig erkennen und behandeln zu können.
Arten von Sprachstörungen
Wie bereits erwähnt, können Sprachfehler in verschiedener Weise auftreten. Es kann somit nicht von der einen Sprachstörung gesprochen werden, sondern es wird unterschieden zwischen folgenden Problemen:
• Sprachentwicklungsstörungen: Die Sprachentwicklungsstörungen, kurz SES, bezeichnen eine Abweichung von der normalen Sprachentwicklung im Kindesalter. Diese Abweichungen können zeitlicher oder struktureller Art sowie deren Kombination sein.
• Spezifische Sprachentwicklungsstörungen: Bei den spezifischen Sprachentwicklungsstörungen, kurz SSES, liegt keine allgemeine Problematik mit der Sprache vor, sondern das Kind hat nur in einzelnen Bereichen Schwierigkeiten. Dabei kann es sich um einen Dysgrammatismus handeln, sprich die Kinder haben Probleme mit grammatikalischen Aufgaben wie der Konjugation oder dem korrekten Satzbau. Eine weitere SSES ist ein Wortschatzdefizit, wobei das Kind beim Erwerb des Wortschatzes quantitative oder qualitative Probleme hat.
• Entwicklungsdysgraphie: Weitere Namen für diesen Sprachfehler sind Entwicklungsdyslexie oder schlichtweg Störungen der Schriftsprache. Das Kind hat somit beim Sprechen keine Probleme, jedoch beim Lesen und Schreiben. Es macht daher Fehler bei der Umwandlung der Sprache vom Wort in die Schrift oder umgekehrt.
• Phonologische Störung: Diese Problematik wird auch als audiogen bedingte Sprachstörung bezeichnet. Dabei erlernt das Kind gewisse Laute nicht oder nur fehlerhaft und spricht sie dementsprechend falsch aus.
Je nach Art der Sprachstörung, kann sie für das Kind unterschiedliche Folgen nach sich ziehen, beispielsweise schlechte Schulnoten, obwohl ein grundlegendes Verständnis für die gelernten Inhalte vorhanden ist. In jedem Fall ziehen unbehandelte Sprachstörungen in der Regel weitere Störungen in anderen Entwicklungsbereichen nach sich und in der Folge kann die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beeinträchtigt werden. Von Minderwertigkeitskomplexen bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten oder Lernstörungen treten solche Störungsbilder oft in vielfältiger Hinsicht auf. Deshalb ist es für Eltern so wichtig, eine kindliche Sprachstörung frühzeitig zu erkennen und professionell behandeln zu lassen, um ihrem Kind optimale Entwicklungschancen zu bieten.
Mögliche Ursachen von Sprachfehlern
Eltern tragen somit die Verantwortung für eine gesunde Sprachentwicklung bei ihrem Kind. Wenn sie die geschilderten Probleme oder weitere Besonderheiten wie ein Stottern oder Lispeln bemerken, sollten sie daher einen Experten aufsuchen, in der Regel einen Kinderarzt, Phoniater oder Pädaudiologen. Aber auch vorsorgliche Untersuchungen, beispielsweise durch den Kinderarzt im Rahmen der U-Untersuchungen, sind in regelmäßigen Abständen sinnvoll. Liegt eine Sprachstörung vor, muss die Ursache identifiziert werden, um diese gezielt zu behandeln. Je nach Art der Problematik, kommen zum Beispiel folgende Verursacher infrage:
• Allgemeine Entwicklungsstörung
• Behinderungen körperlicher oder geistiger Art
• Entzündliche Prozesse im Gehirn
• Genetische Ursachen wie das Down-Syndrom
• Hirnreifestörungen
• Operationen oder Tumore im Gehirn
• Probleme mit dem Gehör
• Schädel-Hirn-Traumata
• Sprachschwäche in der Familie (mit Krankheitswert)
Um die Sprachstörung zu beheben, muss also an der Ursache angesetzt werden und diese Vielfalt an möglichen Gründen für einen Sprachfehler macht deutlich, dass dieser nicht in jedem Fall vollständig „heilbar“ ist. Behandelbar sind Sprachstörungen aber in den meisten Fällen und häufig lösen sich diese mit Hilfe einer geeigneten Therapie noch im Kindesalter auf.
Lösungsmöglichkeiten ohne Therapie
Es gibt einige wenige Fälle, in denen eine Sprachstörung ohne Therapie ausheilen kann. Das ist in der Regel möglich, wenn eine äußerliche Ursache für die Sprachprobleme vorliegt, beispielsweise eine Kieferfehlstellung oder eine Schwerhörigkeit. In solchen Fällen führt die Behebung der Ursache oft dazu, dass die Sprachstörung von selbst ausheilt. Es empfiehlt sich daher vor dem Gang zum Logopäden der Besuch eines Facharztes, um mögliche Ursachen abklären und behandeln zu lassen.
Bei einer Kieferfehlstellung ist dafür zum Beispiel ein Kieferorthopäde der richtige Ansprechpartner. Bei mittleren bis sehr schweren Fehlstellungen werden die Behandlungskosten von der Krankenkasse übernommen. In leichteren Fällen ist dies jedoch nicht immer der Fall, weshalb der Abschluss einer entsprechenden Zusatzversicherung sinnvoll ist – am besten bereits in einem Alter von drei bis vier Jahren, wie von Experten gemeinhin empfohlen, also vor dem Zahnwechsel des Kindes.
Wer hingegen eine Schwerhörigkeit beim Kind vermutet, wendet sich an einen HNO-Arzt. Je nach Diagnose, kann er die Problematik beispielsweise durch die Entfernung von Ohrenschmalz oder Verletzungen im Ohr, durch operative Eingriffe, durch Medikamente gegen eine Infektion, durch ein Hörgerät beziehungsweise Cochlea-Implantat oder durch eine Kombination zwischen Hörgerät und Sprechtherapie behandeln. Diese Kosten werden im Regelfall durch die private oder gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt, sodass eine Zusatzversicherung nicht notwendig ist. Wer jedoch alternative Wege gehen möchte, beispielsweise mit homöopathischen Medikamenten, muss diese unter Umständen selbst bezahlen. Policen wie eine Heilpraktiker-Zusatzversicherung können dann durchaus sinnvoll sein.
Therapeutische Behandlungsmöglichkeiten
In vielen Fällen ist eine therapeutische Behandlung aber stattdessen oder begleitend unverzichtbar, um die Sprachstörung beim Kind effektiv zu behandeln. Diese wird durch einen Sprachtherapeuten oder Logopäden durchgeführt – und auch hierfür werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen. Eltern sollten sich somit keinesfalls aus finanziellen Gründen von der frühzeitigen Behandlung der Sprachstörung bei ihrem Kind abhalten lassen; ebenso wenig wie von der Angst, das Kind damit zu überfordern. Denn die Therapie findet altersangemessen sowie spielerisch statt und wird individuell an den Bedarf des jeweiligen Kindes angepasst. Je früher diese Maßnahmen beginnen, desto schneller stellen sich Erfolge ein und umso geringer bleiben die negativen Konsequenzen des Sprachfehlers für das Kind. Die therapeutische Behandlung sollte daher direkt nach der Diagnosestellung in Angriff genommen werden.
Im Zuge der Behandlung gibt der Logopäde oder Sprachtherapeut dem Kind verschiedene sprachliche Reize sowie konkrete Übungen. Dabei wird beispielsweise gemeinsam gesungen, gespielt oder gelesen. Erfolge bringt die Therapie jedoch nur, wenn das Kind diese Übungen auch zuhause durchführt, wofür es die Unterstützung der Eltern braucht. Je enger Eltern und Therapeuten also zusammenarbeiten, desto besser und schneller lässt sich die Problematik behandeln. Wichtig ist dennoch, keinerlei Druck auf das Kind auszuüben, sondern mit Spiel und Spaß an die Sache heranzugehen.
In einigen Fällen ist es zudem sinnvoll, die Sprachtherapie mit weiteren Therapieformen zu verknüpfen. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Ergotherapie handeln, wenn auch Probleme mit der Motorik auftreten, oder um eine Psychotherapie, falls das soziokulturelle Umfeld des Kindes als Ursache für die Sprachstörung erachtet wird – was, wie bereits erwähnt, bei rund 40 Prozent der betroffenen Kinder zutrifft. Schließlich färben gewisse Probleme von den Eltern auf die Kinder ab, wie die Wissenschaft mittlerweile weiß, was auch für Sprachprobleme gilt.
Fazit
Sprachfehler beim Kind sind keine Seltenheit und gut behandelbar. Dafür ist allerdings notwendig, dass die Eltern die Sprachstörung erkennen und richtig therapieren (lassen). Häufig wird dabei zum Problem, dass die Elternteile den Sprachfehler nicht bemerken – oder nicht bemerken wollen, beispielsweise aus Scham – und daher keinen Experten aufsuchen. Sprachstörungen fallen dann jedoch spätestens bei der nächsten U-Untersuchung oder in der Schule auf. Auch, wenn es schwerfällt, ist es daher wichtig, sich die Problematik des eigenen Kindes einzugestehen und ihm zuliebe frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen, damit das Kind keine Folgeprobleme erleben muss. Sprachförderung ist daher eine wichtige Aufgabe für alle liebenden Eltern.